9. März 2016
Frau Gruber, Sie reden von einer Genusskrise. Wie definieren Sie Genuss und was meinen Sie genau mit einer Genusskrise?
Für Genuss gibt es eine sehr allgemeine Definition. Es handelt sich um eine positive Sinnesempfindung, die mit körperlichem und/oder geistigem Wohlbefinden verbunden ist. Dabei kann es sich um kulinarische Genüsse ebenso drehen wie um kulturelle durch Literatur, Theater, Musik oder um körperliche durch Sport oder Berührungen. In einer Krise befinden wir uns deswegen, weil viele Menschen Genussmomente nicht mehr voll zulassen und ausschöpfen können. Sie kasteien sich selbst aufgrund sozialer und persönlicher Restriktionen, die sich in unserer auf Gesundheit als wesentlichen Wert hin orientierten Gesellschaft ausmachen lassen. Dabei bemerken viele nicht, dass sie dadurch genau ihr Gesundheitsstreben konterkarieren.
Wie ist es zu dieser Genusskrise gekommen? Und gibt es einen Weg zurück?
Eine Krise lässt sich dadurch beschreiben, dass das Alte bereits gestorben ist und das Neue noch nicht geboren. Wir befinden uns genau auf dem Weg zu einem neuen Food-System, einem neuen Umgang mit Lebensmitteln und einer freieren Esskultur. Frei im Sinne von frei von Ver- und Geboten, wobei als Orientierung der eigene kritische Gaumen und eine solide kulinarische Allgemeinbildung dienen. Das müssen wir erst etablieren und damit müssen wir erst lernen umzugehen. Doch um auf Ihre Frage zurückzukommen, wenn wir uns den Status quo ansehen, ist zu bemerken, dass der Grossteil der Menschen zwar gerne geniessen würde, aber das nur mit schlechtem Gewissen tut. Dieses schlechte Gewissen resultiert daraus, weil wir kaum noch Bezug zur Herstellung von Lebensmitteln haben und Unbekanntes Angst macht. Zudem kommt eine auf Skandalisierung ausgerichtete Medienberichterstattung. Denken Sie an Pestizide, Zusatzstoffe, Lebensmittelallergien oder Intoleranzen. Es wird ein Bild von nur krankmachenden Lebensmitteln gezeichnet, und das ist falsch. Lebensmittel sind so sicher wie nie zuvor in der Geschichte, Zusatzstoffe streng geprüft und häufig Substanzen, die in der Natur oder auch in unserem Körper ganz natürlich vorkommen und Pestizide werden in einer Konzentration gefunden, die noch vor einigen Jahren gar nicht detektierbar war. Zu all dem reiht sich noch der gesellschaftliche Imperativ, schlank und gesund zu sein. Damit ist es nicht leicht, vollends zu geniessen. Dabei wäre gerade das der Schlüssel für einen gesunden Lebensstil.
Inwiefern ist denn in Ihren Augen Genuss wichtig?
Geniessen zu können kann Benefits auf mehreren Ebenen bringen. Ganz grundsätzlich ist es eine Frage der Lebenseinstellung, wie ich mit mir selbst umgehe und was ich mir wert bin. Geniessen hat viel damit zu tun, gut auf sich selbst zu schauen und das spiegelt sich auch beim Ernährungs- und Gesundheitsverhalten. Geniesser wählen ihr Essen kritischer und ausgewogener aus, sie achten mehr auf Qualität und essen von überall ein bisschen etwas statt von Wenigem viel. Sie erreichen damit mehr oder weniger eine sehr ausgewogene und damit auch gesunde Ernährung.
Ergibt Genuss real einen Mehrwert (gesundheitlich, usw.)?
Tatsächlich. Wer geniesst, ist häufiger optimistisch, ausgeglichen, glücklich, entspannt, schätzt sein eigenes Wohlbefinden und seine Gesundheit höher ein als Nicht-Geniesser. Genusserlebnisse können auch gezielt der Stressreduktion dienen. Das kann in unserer schnell-taktenden Welt eine wertvolle Ressource sein, weil sie überall und mit wenig Mitteln eingesetzt werden kann. Auch in der Therapie von Depressionen wird „Die kleine Schule des Geniessens“ angewandt und erzielt beachtliche Erfolge. Durch die Schärfung der Sinne und der Wahrnehmung sowie durch das Bespielen von hedonistischen Nischen werden freudvolle Erlebnisse wieder erfahrbar.
Welche Grundvoraussetzungen bei einem Menschen müssen gegeben sein, damit er geniessen kann?
Wer geniessen will, muss alle Sinnen einschalten und braucht eine offene und neugierige Einstellung, ist aufmerksam und erlaubt sich Genussmomente, gönnt sich Genusserfahrungen und achtet auf Abwechslung. Dadurch ergibt sich eine zeitweilige Askese von einzelnen Erlebnissen oder Produkten, was ebenso wesentlich ist. Grundlegend ist aber auch, zu sich selbst JA zu sagen, einen selbstfürsorglichen Umgang zu pflegen. Das heisst, die eigenen Bedürfnisse erkennen und stillen zu können und sich selbst wertzuschätzen.
Welche Rolle kann die Nahrungsmittelindustrie in dieser „Genussdebatte“ einnehmen?
Die Nahrungsmittelhersteller bieten schon heute ein sehr breites Spektrum an Produkten an. Wesentlich scheint mir zu sein, auf das Bedürfnis der Konsumenten nach Authentizität einzugehen, bei den Produkten selbst und auch in der Kommunikation auf dem Etikett ebenso wie in der Werbung. Moderne Produktionsweisen auch offenzulegen, um Vertrauen zurückzugewinnen. Und speziell in Bezug auf Genuss ist der Trend nach Frische und Convenience mächtig. Frisch-convenient gibt die Möglichkeit, bei geringem Zeitbudget hohe Qualität entspannt zu essen – und zu geniessen.
Was ist Ihr ganz persönlicher Genussmoment?
Das ist sehr unterschiedlich, kann einmal ein Stück Schokolade sein, ein Glas Wein oder frische Himbeeren zu pflücken und gleich zu naschen, schwimmen zu gehen oder einfach mit Freunden gemeinsam zu essen. Ich geniesse dann, wenn ich kurz innehalten kann, registriere, was mir nun im Rahmen der Möglichkeiten gut tun könnte und mich dann voll auf meine Wahrnehmung konzentrieren kann.
Dokument
Newsletter IG Erfrischungsgetränke (03.2016)
Werden Sie Mitglied!
9. März 2016
Die Informationsgruppe Erfrischungsgetränke ist der Zusammenschluss von Vertretern der Erfrischungsgetränkeproduzenten und der nationalen Politik. Sie dient der aktiven und transparenten Beteiligung an der politischen und gesellschaftlichen Debatte rund um Ernährung, Gesundheit sowie der Förderung eines aktiven Lebensstils.
Neue Steuern leisten keine Präventionsarbeit
9. März 2016
Immer wieder versuchen Staaten unter dem Deckmantel der Prävention, mit neuen Steuern ihre (leeren) Kassen zu füllen. Es wird aufgrund selber in Auftrag gegebener Studien festgestellt, dass die Bevölkerung übergewichtig ist und der Sündenbock ist dann schnell und einfach gefunden: Zucker und meistens auch die Erfrischungsgetränke.