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20. September 2017

Erfrischend ehrlich: Ida Glanzmann zwischen Erziehung, Ernährung und Engagement

Kann man im Vorstand der Informationsgruppe Erfrischungsgetränke sein, seinen Kindern gleichzeitig ein Verständnis für eine ausgewogene, gesunde Ernährung vermitteln und sich zusätzlich als Nationalrätin politisch engagieren? Man kann. Ida Glanzmann macht es vor und erklärt im Interview, warum Genuss nicht eingeschränkt werden darf.

 

Im Umfeld des Schweiz­er Par­la­ments gibt es eine schi­er unüber­schaubare Anzahl an Arbeits‑, Infor­ma­tions- und Inter­es­sen­grup­pen. Eine davon ist die Infor­ma­tion­s­gruppe Erfrischungs­getränke (IGEG). Was unter­schei­det die IGEG von den meis­ten anderen Gruppierungen?

Bei der IGEG han­delt es sich um eine gemein­sam mit Wirtschaftsvertretern und nationalen Par­la­men­tari­ern gegrün­dete Dialog­plat­tform. Anders als bei vie­len anderen Inter­es­sen­grup­pen, geht es nicht nur darum, ein­fach ein­mal im Jahr zu einem spez­i­fis­chen The­ma zusam­men­zusitzen. Wir fördern in der IGEG einen kon­tinuier­lichen Aus­tausch zwis­chen Wirtschaft und Poli­tik. Gle­ichzeit­ig gibt uns der jährlich unter der Schirmherrschaft der IGEG pub­lizierte Mon­i­tor zu Ernährung und Bewe­gung des gfs.bern wichtige Denkanstösse — und zwar den Her­stellern von Erfrischungs­getränken und auch uns Parlamentariern.

 

Laut dieser Studie ist ein­er grossen Mehrheit der Schweiz­er, näm­lich 91 Prozent, das The­ma Ernährung wichtig. Kann man also davon aus­ge­hen, dass bezüglich ein­er gesun­den Ernährung bei uns alles bestens ist und kein Hand­lungs­be­darf besteht?

Ich glaube, dass das Bewusst­sein für eine gesunde Ernährung bei uns Schweiz­ern vorhan­den ist. Jed­er schaut darauf, dass er nicht zunimmt. Ich kämpfe da auch regelmäs­sig mit mir. Zugle­ich ist es aber so, dass dieses Bewusst­sein im mit­tleren und oberen Einkom­mensseg­ment aus­geprägter ist. Bei tief­er­en Einkom­men ist dies oft schwieriger, weil die Ernährung auf gün­stige Pro­duk­te aus­gelegt ist.

 

Kön­nte da eine Zuck­er­s­teuer, die auf Erfrischungs­getränken erhoben wird, Abhil­fe schaffen?

Da bin ich völ­lig dage­gen. Solche Steuern strafen ja auch Kon­sumenten, die zuck­er­haltige Getränke mit Augen­mass kon­sum­ieren. Zugle­ich glaube ich nicht, dass ein Ver­bot oder eine Steuer vom Kauf abschreckt. Ich habe generell Mühe mit Ver­boten, sei es nun bei Nahrungsmit­teln oder in anderen Lebens­bere­ichen. Mit dem Sta­tus Quo kann ich leben, aber gegen restrik­ti­vere Geset­ze wehre ich mich. Dies gilt auch für die im Kan­ton Waadt disku­tierte Zuck­er­s­teuer, bei welch­er die Abgabe in eine Zah­n­ver­sicherung fliessen soll. Ist jeman­dem eine Zah­n­ver­sicherung wichtig, so ste­ht es jedem frei, eine solche Ver­sicherung für sich und seine Kinder frei­willig abzuschliessen.

 

Noch nie wurde so viel über Essen geschrieben. Gesunde Ernährung ist ein richtigge­hen­des Sta­tussym­bol. Zugle­ich gibt es Men­schen, die nur noch Con­ve­nience-Pro­duk­te kon­sum­ieren. Wie lässt sich diese Schere schliessen?

Wenn es schnell gehen muss, wird oft auf Con­ve­nience-Pro­duk­te zurück­ge­grif­f­en. Es ist halt schon bequem, etwas Halbfer­tiges in die Pfanne zu wer­fen. Trotz­dem weiss ich heute noch, wie die Ernährungspyra­mide aussieht, die wir in der Schule gel­ernt haben. Ich selb­st koche in meinem Haus deshalb mit frischen Zutat­en — im Som­mer mit Gemüse aus unserem eige­nen Garten. Das haben auch meine Kinder so gel­ernt — und kochen heute auch so. Wo, wenn nicht Zuhause oder in der Schule, kön­nen wir unseren Kindern diese Werte mitgeben?

 

Wie kann die Weit­er­gabe dieses Wis­sens verbessert werden?

Ich erin­nere mich gut an den Moment als meine Kinder das erste Mal in die Kochschule gin­gen: Sie kamen nach Hause und woll­ten das Erlernte zu Hause selb­st aus­pro­bieren. Die wichtig­ste Mass­nahme ist darum für mich zuerst ein­mal, dass die Hauswirtschaft unter keinen Umstän­den zusam­mengekürzt wird. Ich bestre­ite nicht, dass wir in den Schulen Math­e­matik und Sprachen ver­mit­teln sollen. Wir müssen aber auch Wis­sen ver­mit­teln, das unsere Kinder zum Leben brauchen. Es wird mir bange, wenn ich sehe, dass mit dem Lehrplan 21 die prak­tis­chen Fäch­er keinen Stel­len­wert mehr haben. Die Hauswirtschaft, die wir bis anhin kan­nten, kön­nte durch kopflastige The­o­rie erset­zt wer­den. Die Jun­gen ler­nen dann nir­gends mehr, wie man sich richtig ernährt. Das müssen wir unbe­d­ingt verhindern.

 

Müssen die Erfrischungs­getränke­hersteller als «Bad Boys» für eine falsche Weichen­stel­lung geradestehen? 

Das Bild von ein­er Flasche Cola und einem Berg Zuck­er daneben sah man oft — es hat sich bei uns eingeprägt. Dass die Branche vor­wärts macht und die Getränke mit­tler­weile eine andere Zusam­menset­zung haben — davon redet nie­mand. Ich erlebe die Her­steller als ver­ant­wor­tungsvolle Arbeit­ge­ber mit gross­er Inno­va­tion­skraft. Sie müssen hier­für nur ein­mal einen Blick in die Regale von Migros und Coop wer­fen. Jüngst hat beispiel­sweise Ram­seier mit «Zisch» ein neues kalo­rienre­duziertes Pro­dukt lanciert. Und auch Coca-Cola hat der IGEG anlässlich ein­er Präsen­ta­tion gezeigt, dass die durch­schnit­tliche Kalo­rien­zahl im Pro­duk­t­port­fo­lio seit 2006 um knapp 19 Prozent gesenkt wurde.

 

Wie haben Sie es selb­st bei Ihren Kindern mit Erfrischungs­getränken gehalten?

Ich habe meinen heute erwach­se­nen Kindern nie ein Glas Cola ver­boten. Später kom­men sie in ein Alter, in dem sie ein Bier trinken möcht­en. Auch das müsste ich ja dann ver­bi­eten. Ich ergriff nie solche Mass­nah­men. Wichtiger war es mir, ihnen beizubrin­gen, wie sie damit umge­hen sollen. Kon­sum­iere ich ein Pro­dukt bere­its mit einem schlecht­en Gewis­sen, so kann das nicht gesund sein. Der Genuss muss im Zen­trum ste­hen. Bei einem schö­nen Essen soll ein feines Glas Wein, ein Bier oder eben ein Erfrischungs­getränk seinen Platz haben.

 

 

Ida Glanz­mann

Seit 2006 ist Ida Glanz­mann Nation­al­rätin der CVP. Die diplomierte Pflege­fach­frau und Mut­ter von drei erwach­se­nen Kindern ist Vor­standsmit­glied der Infor­ma­tion­s­gruppe Erfrischungsgetränke.